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Heute: „Work-Life-Balance“ oder „Arbeiten, um zu leben“?

FM: Guten Morgen Andreas. Eigentlich wollten wir heute mal ganz philosophisch über die Arbeit reden.

AG: Guten Morgen Frank. Wenn ich schon „eigentlich“ höre, werde ich unruhig.

FM: Eigentlich solltest Du nicht gleich unruhig werden. Du warst doch schon im Urlaub, oder?

AG: Jawohl. Wir fahren immer mit einem Wohnmobil an einen See.

FM: Wohnmobil ist zwar klasse, aber da musst du doch alles selbst machen.

AG: Das stimmt, aber für uns ist das eine Art „Entschleunigung“. Wir besinnen uns mal wieder auf die einfachen Dinge und können abschalten.

FM: Bei „Abschalten“ denke ich sofort an unser derzeitiges Energieproblem. Du als Autohändler hast doch sicher auch mit Elektromobilität zu tun. Wann fahren wir alle elektrisch?

AG: Wenn es überall Ladestationen gibt und die Stromerzeugung geklärt ist. Nicht falsch verstehen: Elektroautos sind eine feine Sache, aber irgendwo muss der Strom ja herkommen.

FM: Bliebe noch der Hybrid.

AG: Ich denke, der Hybrid wurde vor allem deshalb erfunden, um den Leuten die Angst vor der E-Mobilität zu nehmen und Vertrauen aufzubauen. „Seht her, da ist auf jeden Fall noch ein Benzinmotor drin“. Letztendlich kommt es darauf an, wie ein Fahrzeug genutzt wird. Gerade für das Handwerk sind Elektrofahrzeuge durchaus interessant. Meistens sind es überschaubare Anfahrtswege und man kann über Nacht aufladen.

FM: Wenn die Energieversorger auf dem Firmengelände genug Strom für alle bereitstellen können.

AG: Das wird die Aufgabe sein. Bin mal gespannt, wann das in Gang kommt.

FM: Wenn in ein paar Jahren das Aus für den Verbrenner kommt, sehe ich schon Verhältnisse wie in Kuba. Lauter alte Schlitten fahren rum und werden repariert, bis es nicht mehr geht.

AG: Bei „Kuba“ könnten wir zum Thema „Urlaub“ zurückkehren.

FM: Danke für den Hinweis. Wie läuft eigentlich dein Betrieb, wenn ihr nicht da seid?

AG: Böse Zungen behaupten: Besser denn je! (lacht) Aber mal im Ernst: Gute Leute muss man haben. Und man muss ihnen vertrauen können, dass sie ihre Arbeit gerne machen.

FM: Was hältst du denn von dem Begriff „Work-Life-Balance“?

AG: Ich halte schon den Ansatz für falsch, denn das „Work“ gehört zum „Life“ und ist kein Gegensatz. Natürlich gibt es sehr unangenehme und schwere Arbeiten, aber gerade bei uns im Handwerk gibt es die Möglichkeit, sich selbst stark einzubringen und zu verwirklichen.

FM: Also „Selbstverwirklichung“?

AG: Warum legen wir denn zum Beispiel so viel Wert auf den Meistertitel? Weil uns der Wert unserer Arbeit bewusst ist. Die Ansprüche an uns werden immer höher, alles perfektioniert sich. Das spüren wir im Handwerk noch deutlicher als in anderen Bereichen.

FM: Stellen denn auch die Mitarbeiter größere Ansprüche als früher?

AG: Natürlich. Wir können uns nicht dauernd beklagen, dass wir nicht genug Leute haben und dann nicht auf die veränderten Lebensverhältnisse eingehen. Deshalb gibt es beispielsweise auch im Handwerk die Möglichkeit zur Elternzeit.

FM: Wie wichtig ist das Betriebsklima?

AG: Sehr wichtig. Wo sonst hat man fast immer die Möglichkeit, direkt zu seinem Chef zu gehen, wenn etwas zu besprechen gibt? Viele Handwerksbetriebe sind wie große Familien strukturiert. Und da muss auch nicht jeder immer das Gleiche können und machen. Ein guter Chef kann seine Leute gut einschätzen und weiß, wo die Stärken liegen.

FM: Man muss aufeinander zugehen.

AG: Das ist es. Und genau das ist in einem Handwerksbetrieb meist unkomplizierter als in riesigen Strukturen, die komplett in den Hierarchien durchorganisiert sind.

FM: Da rennst du oft bei einem Problem von Pontius zu Pilatus.

AG: Und am Schluss hast du die halbe Bibel durch. Im Handwerksbetrieb ist man als Inhaber sowieso meist selbst am Werk und nicht nur Manager.

FM: Wobei es auch größere Betriebe gibt mit 40 oder mehr Angestellten. Da muss es sicher auch eine Organisation geben.

AG: Stimmt, aber auch daraus kann man gute kleinere Teams organisieren, die dann weitestgehend selbständig arbeiten können. Wir haben in unserer Kreishandwerkerschaft Betriebe, die das genau so machen.

FM: Was ist nun also mit diesem „Work-Life-Dings“?

AG: Ich finde, dass Arbeit auch Struktur ins Leben bringen kann.

FM: Das haben wir in der Pandemie gemerkt, als wir in der Veranstaltungsbranche nicht mehr arbeiten konnten. Neben der schweren wirtschaftlichen Krise war es für viele auch eine persönliche Krise. Ein Kollege, Rocksänger und Musicaldarsteller von Beruf, hat während der Krise in Mannheim beim Gesundheitsamt angeheuert und in einem Interview gesagt, dass neben dem Geld auch die Tatsache wichtig war, dass es sich lohnte, morgens aufzustehen und etwas zu tun zu haben.

AG: Ich hätte da eine alte chinesische Weisheit für Dich.

FM: „Morgenstund hat Gold im Mund“?

AG:   „Wenn du eine Stunde lang glücklich sein willst, schlafe. Wenn du einen Tag glücklich sein willst, geh fischen. Wenn du ein Jahr lang glücklich sein willst, habe ein Vermögen. Wenn du ein Leben lang glücklich sein willst, liebe deine Arbeit.“

FM: War das der Konfuzius?

AG: Keine Ahnung, aber es muss ein Handwerker gewesen sein.

Andreas Groß ist Geschäftsführer eines Fiat-Autohauses mit Werkstattbetrieb in Wetzlar, Kfz-Sachverständiger und Kreishandwerksmeister

Frank Mignon ist Moderator, Kolumnist und Musiker