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Heute: „Schaffe, schaffe – Häusle baue“

FM: Guten Morgen Andreas und danke für den Kaffee.

AG: Guten Morgen Frank, ich weiß, Du nimmst ihn mit Milch. Das ist übrigens fair gehandelter Kaffee.

FM: Also nachhaltig?

AG: Jawohl.

FM: Hauptsache kein kalter Kaffee.

AG: Wie kommen wir jetzt von „kalter Kaffee“ auf die derzeitige Arbeitszeitdiskussion?

FM: Das ist dann wohl wieder mal meine Aufgabe. Aber es gibt manche Diskussionen, die erinnern mich eher an vergossene Milch.

AG: Ich muss da schon wieder auf diese „Work-Life-Balance“ zu sprechen kommen. Natürlich ist ein angemessenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit extrem wichtig. Aber ich wehre mich dagegen, dass der Eindruck erweckt wird, man müsse eine Art Persönlichkeitsspaltung über sich ergehen lassen.

FM: Die eine Gehirnhälfte ist für den Betrieb zuständig und die andere für das heimische Sofa.

AG: So in etwa. Aber sollten wir nicht gerade angesichts von Fachkräftemangel dazu ermutigen, dass sich gerade junge Leute, aber auch interessierte Umschüler oder Weiterbildungsbereite sowohl mit Herz als auch mit Verstand eine Tätigkeit suchen, die ihnen Freude macht und die sie gerne verrichten? Ich kann und will einfach nicht akzeptieren, daß Arbeit per se als Bestrafung angesehen werden soll und nicht auch als Erfüllung.

FM: Absolut richtig. Aber irgendwie muss ja etwas an dem Thema „Arbeitszeitverkürzung“ dran sein, denn gerade ist wieder die „4-Tage-Woche“ in der Diskussion.

AG: Das ist auch völlig in Ordnung und in vielen Industriebetrieben ist dies sicher auch möglich. Und es wird ganz sicher auch Handwerksbetriebe geben, die sich aufgrund ihrer Struktur, Größe und Branche offen zeigen für solche Modelle.

FM: Aber irgendwie muss ja trotzdem die Arbeit erledigt werden. Ich stelle mir Baustellen vor, auf denen in einem bestimmten Zeitfenster eine Installation gemacht werden muss, weil schon der nächste Bauwerker bereitsteht.

AG: Nicht nur das, es gibt natürlich auch Präsenzzeiten, die einfach erfüllt werden müssen, wenn es beispielsweise um Publikumsverkehr geht.

FM: Sollte da die Politik eingreifen und das regeln?

AG: Ich will jetzt nicht schon wieder in die allgemeine Politikschelte einstimmen, aber hier sind in erster Linie die Betriebe und ihre Mitarbeitenden gefragt. Wenn es in einem Betrieb möglich ist, die Arbeitszeiten anders zu organisieren und der Wunsch der Mitarbeitenden entsprechend geäußert wird, dann sollte dies auf jeden Fall möglich gemacht werden. Aber ich halte nicht viel von einem Eingreifen der Politik an dieser Stelle.

FM: Würde sich da denn nicht auch die tägliche Arbeitszeit erhöhen?

AG: Ich sehe, Du kannst rechnen.

FM: Mathe-Abitur 1989.

AG: Du machst mir Angst.

FM: Gesamtnote Abitur nur 3,1, also sollte nun Deine Welt wieder in Ordnung sein. Aber zurück zur Arbeitszeit.

AG: Ich bin mir nicht sicher, ob es in jedem Beruf möglich oder erstrebenswert ist, mehr als 10 Stunden pro Tag arbeiten zu müssen, um dann einen Tag mehr frei zu bekommen. Das kann in einigen Fällen möglich und sogar sinnvoll sein.

FM: Ich denke da auch an das Thema Energie.

AG: Natürlich. Wenn es irgendwo möglich ist, einen Betrieb einen Tag weniger hochfahren und somit mit Energie betreiben zu müssen, bitte sehr. Und die Anfahrtswege der Mitarbeitenden würden ja auch weniger. Ich bin der festen Überzeugung, dass das jeder Betrieb mit seinen Leuten selbst regeln sollte.

FM: Mir kommt da ein Gedanke: Wäre nicht gerade die Größe eines Handwerksbetriebes für solche individuellen Vereinbarungen besonders geeignet?

AG: Genau das ist es doch. In welchen anderen Bereichen hat man einen so unmittelbaren und direkten Draht zur Geschäftsführung? In den allermeisten Fällen werden doch schon jetzt individuelle Absprachen getroffen, Lebenssituationen berücksichtig und man geht aufeinander zu, anstatt sich nur als „Tarifpartner“ gegenüber zu stehen, die einander argwöhnisch belauern.

FM: Im Grunde bieten also gerade Handwerksbetriebe sehr zukunftsfähige Modelle.

AG: Und genau deshalb stört mich an vielen Berichterstattungen in Presse, Funk und Fernsehen, dass gerne mal mehr, mal weniger subtil der Eindruck erweckt wird, die Handwerker seien irgendwie nicht so ganz auf der Höhe der Zeit oder würden sich neuen Entwicklungen verschließen. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Bis so mancher Weltkonzern etwas eingeführt oder umgestellt hat, haben wir das schon lange erledigt.

FM: Siehe Energiesparen, Solar, Umwelt.

AG: Und mal unter uns: Niemand kann doch ernsthaft glauben, dass gerade wir, die wir sehr intensiv und auch schon erfolgreich um neue Azubis werben, dann die Augen und Ohren verschließen, wenn uns die jungen Leute sagen, wie sie gerne ihr Leben gestalten würden. Ich würde mich nur freuen, wenn in den allgemeinen Diskussionen nicht immer dieser Keil zwischen Arbeit und Leben getrieben würde und man mehr Vertrauen in die Eigeninitiative der Leute vor Ort hätte.

FM: Waren wir da nicht schon beim letzten Mal an dem gleichen Punkt?

AG: Wir stehen eben auch in diesem Blog für inhaltliche Kontinuität.

FM: Und eines sollten wir nicht vergessen: Die Betriebsübernahmen und Selbständigkeiten.

AG: Jetzt hast Du wieder Dein Lieblingsthema untergebracht. Aber es stimmt: Ein Mensch, der sich gerade selbständig gemacht hat oder einen Betrieb übernimmt, hat aller Wahrscheinlichkeit auch keine 4-Tage-Woche. Aber die Frage wäre dann doch: Ist diese Arbeit nicht eventuell auch so erfüllend, dass man zwar abends durchaus weiß, was man geschafft hat, aber auch irgendwie das gute Gefühl einer sinnvollen Tätigkeit hat, die man gerne macht?

FM: Hast Du noch eine Weisheit zum Abschluss für mich?

AG:  „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten“.

FM: War das der Sepp Herberger?

AG: Jawohl. Es könnte aber auch ein Handwerker gewesen sein.

Andreas Groß ist Geschäftsführer eines Fiat-Autohauses mit Werkstattbetrieb in Wetzlar, Kfz-Sachverständiger und Kreishandwerksmeister

Frank Mignon ist Moderator, Kolumnist und Musiker