Der Macher-Blog mit Andreas Groß und Frank Mignon

Einmal im Monat – Garantiert unausgewogen – Aber immer freundlich

Heute: „2023 – Wird schon werden“

FM: Guten Morgen Andreas.

AG: Guten Morgen Frank.

FM: Heute treffen wir uns mal digital, denn wir haben extremes Glatteis. Wie bist Du denn in Deine Firma gekommen?

AG: Die Fahrt erinnerte mich an unsere derzeitige Situation im Land: Ganz schön ungemütlich.

FM: Aber Du als Autohändler bist doch für alles gerüstet, oder?

AG: Wenn man sich aber ausgerechnet jenen Wagen mit nach Hause nimmt, der noch keine Winterreifen drauf hat, kann es spannend werden.

FM: Wie war das mit dem Schuster und den Schuhen?

AG: Können wir bitte das Thema wechseln!

FM: Also dann: Wie war denn nun das Jahr 2022 für das Handwerk?

AG: Insgesamt war die Lage noch deutlich besser als die allgemeine Stimmung im Land. Insbesondere die Baubranche und unsere Heizungsbauer konnten nicht klagen. Allgemein könnte man annehmen, dass die Krisen eher wie ein Katalysator wirken. Es wird vielen bewusst, dass es so nicht weitergehen kann und wir die Krisen dazu nutzen müssen, um notwenige Veränderungen in Gang zu bringen.

FM: Also doch „Krise als Chance“? Ich bin da immer ein bisschen vorsichtig.

AG: Bevor ich jetzt als Träumer dastehe, will ich genauso einräumen, dass die Aussichten für die Zukunft gemischt sind, vor allem, wenn wir das große Problem „Fachkräftemangel“ nicht gelöst bekommen.

FM: Nehmen wir doch mal Deine Firma als Beispiel.

AG: Gerne. Ich habe drei Leute altersbedingt oder aus gesundheitlichen Gründen verloren und konnte bislang die Stellen nicht neu besetzen. Von interessierten Nachwuchskräften, die für Ausbildungsplätze in Frage gekommen wären, mal ganz zu schweigen. Entweder sie kommen nicht zu vereinbarten Terminen oder haben Vorstellungen vom Arbeitsleben, die so gar nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Ein Bewerber wollte nur bei Tageslicht arbeiten, weil es ihm seine Weltanschauung so vorschreibt, ein anderer kam mehrfach nicht zu den Vorstellungsterminen. Solche Erlebnisse bekomme ich als Kreishandwerksmeister leider immer noch viel zu häufig erzählt.

FM: Sind wir da etwa wieder bei der übertriebenen „Work-Life-Balance“?

AG: Gerade wir im Handwerk in unseren meist eher kleinen Betrieben können doch so viel tun, um auf unsere Mitarbeiter zuzugehen. Aber irgendwann muss auch mal gelten: So ist das eben, wenn man ins Berufsleben einsteigen will. Arbeit muss auch gemacht werden. Wir müssen versuchen, ein realistisches und trotzdem interessantes und gutes Bild vom Arbeiten im Handwerk zu transportieren.

FM: Dafür habt ihr ja die Azubi-Guides. Wie war dieses Jahr für Rüdiger Stamm und seine Leute? Und wie geht es weiter mit dem Verein „Handwerk Mittelhessen“?

AG: Da sind wir sehr zufrieden und man sieht, dass es wichtig ist, sich nach außen darzustellen und präsent zu bleiben. Die Azubi-Guides sind schon alleine deshalb wichtig, weil junge Leute eben viel glaubwürdiger anderen jungen Leuten von ihren Berufen berichten können. Und unser Verein ist ein wichtiger Bestandteil der modernen Öffentlichkeitsarbeit, was man auch daran sieht, dass endlich auch über die Grenzen unserer Kreishandwerkerschaften hinaus kooperiert wird.

FM: Schön, dass zumindest ihr die chinesische Mauer zwischen Wetzlar und Gießen überwunden habt, die anderswo immer noch herrscht.

AG: Unsere Kreishandwerkerschaften arbeiten sehr gut zusammen und ich darf verraten, dass es auch in westliche Richtung, also nach Limburg-Weilburg gute Kontakte gibt, die zu neuen Kooperationen führen werden. Wir sind eben nur gemeinsam stark. Und wir konnten unser Dienstleistungsangebot erweitern, so dass es sich überzeugend sagen lässt: In der Kreishandwerkerschaft zu sein, bringt Vorteile.

FM: Man sieht: Lahn-Dill strahlt nach außen. Auch wenn wir uns heute glatteisbedingt per Zoom unterhalten: Wie wichtig waren in diesem Jahr die echten Präsenzveranstaltungen?

AG: Das war sachlich und menschlich wichtig. Endlich konnte man sich wieder begegnen.

FM: In diesem Zusammenhang: Wie waren die Begegnungen mit der Politik?

AG: Auch hier halfen die persönlichen Begegnungen. Immerhin hat man dort erkannt, dass die Preisexplosionen dem Mittelstand langfristige und irreparable Schäden  zufügen werden, wenn nicht gegengesteuert wird. Was immer noch ein Ärgernis bleibt, ist die Bürokratie. Es scheint einfach nicht der Wille vorhanden zu sein, hier mal konsequent Hand anzulegen und Überflüssiges abzuschaffen. Spannend wird sein, wie es mit den Berufsschulstandorten weitergehen wird. Erst mal ist es gut, dass wir vom Handwerk hier gehört und beteiligt werden, aber es wird interessant sein, bei den Berufsschulen eine Balance zwischen Nähe und Spezialisierung zu schaffen, so dass einerseits die beste Ausbildung angeboten werden kann und andererseits die Wege immer noch zumutbar bleiben.

FM: Was wünschen wir uns für das nächste Jahr?

AG: „Wir uns“ klingt schon fast wie beim Arzt: „Na, wie geht’s uns denn heute“?

FM: Daran kannst Du sehen: Ich beherrsche eben noch die alten Umgangsformen, Euer Hoheit.

AG: Ich wünsche mir für das nächste Jahr ein wenig mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit bei den Rahmenbedingungen. Auch wenn für einen Unternehmer Veränderungen wichtig sind, so können sich ständig ändernde äußere Bedingungen solche Veränderungen auch bremsen. Man reagiert nur noch kurzfristig auf das, was passiert und hat weniger Möglichkeiten, sich und seinen Betrieb auf längerfristig wirkende Umgestaltungen vorzubereiten.

FM: Unsere Sitzung läuft gleich ab. Haben wir etwas vergessen?

AG: Da war doch noch was.

FM: Irgendwas mit Christbäumen, reichhaltigem Essen und Familie.

AG: Jetzt weiß ich’s wieder: Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

FM: Das wünschen wir allen „Hand- und Mundwerk“-Freunden. Und keine Sorge: Wir bleiben auch im nächsten Jahr unausgewogen.

AG: Aber immer freundlich. Handwerk eben!

Andreas Groß ist Geschäftsführer eines Fiat-Autohauses mit Werkstattbetrieb in Wetzlar, Kfz-Sachverständiger und Kreishandwerksmeister

Frank Mignon ist Moderator, Kolumnist und Musiker