Einmal im Monat – Garantiert unausgewogen – Aber immer freundlich

FM: Lieber Andreas, Du bist selbst Unternehmer in Deinem Betrieb, einem Autohaus. Nun blickst Du auf ein Jahr als Kreishandwerksmeister zurück. Die 100 Tage Schonfrist sind ja nun vorbei.

AG: Ich freue mich zunächst mal, dass ich in einem solch engagierten Team tätig sein darf. Der Vorstand der Kreishandwerkerschaft Lahn-Dill zieht im besten Sinne des Wortes an einem Strang. Außerdem wollen wir noch stärker klarmachen, welche Vorteile unser Verband bietet. Von der Steuerberatung und Hilfe in Rechtsfragen bis zum Buchhaltungsservice bekommt man als Inhaber eines Betriebes nützliche Unterstützung. Außerdem kann man letztendlich nur gemeinsam in einem starken Verband seine Interessen besonders gegenüber der Politik klarmachen.

FM: Zwei Jahre Corona haben auch Eure Arbeit sehr beeinflusst. Warum jetzt dieser neue Blog?

AG: Wie Du schon ansprichst: Zwei Jahre mussten wir in der Öffentlichkeitsarbeit auf unsere Highlights wie „Handwerk live“ sowie weitere Begegnungen verzichten. Und wenn es um den Kontakt zu möglichen Nachwuchskräften geht, hilft meist das persönliche Erleben und Kennenlernen am besten. Nach wie vor habe ich den Eindruck, dass gerade in vielen allgemeinbildenden Schulen ein, nennen wir es mal, nicht mehr zeitgemäßes Bild vom Handwerksberuf existiert. Beispielsweise ist heute der Bereich Sanitär/Heizung/Klima längst zu einem hochmodernen und extrem technisierten Zukunftsberuf geworden, in dem man sogar aktiv am Klimaschutz mitwirken kann. Dachdecker befassen sich mit Photovoltaik, das Bauhandwerk mit Dämmung und umweltschonenden Verfahren der Gebäudeerrichtung. Die Liste könnte fast endlos fortgesetzt werden.

FM: Also könnte man sagen: Klimaaktivisten ins Handwerk?

AG: Unbedingt. Aber auch in meinem Berufsbereich, der Mobilität, ändert sich gerade fast alles und wir brauchen junge Leute, die diesen Wandel aktiv und mit ihren eigenen Händen sowie ihrem Kopf mitgestalten. Und mal ehrlich: Wo sonst als im Handwerk ist es so einfach, einen Beruf zu erlernen und eine sichere Aussicht auf eine Übernahme nach der Ausbildung zu bekommen. Außerdem warten zahlreiche Betriebe darauf, in den nächsten Jahren aus Altersgründen in neue Hände gegeben zu werden. Man hat also die Chance, sein eigener Chef zu werden und gleichzeitig auf einen bestehenden Kundenstamm aufbauen zu können.

FM: Und man kann die Richtung des Betriebes beeinflussen, oder?

AG: Versuche das mal in einem großen Industriebetrieb. Im Handwerk hast Du meist gerade noch eine Betriebsgröße, die es Dir erlaubt, flexibel zu reagieren und, wenn gewünscht, Spezialisierungen vorzunehmen, die Deinen eigenen Neigungen entsprechen. Eigentlich ist man als Inhaber eines Handwerksbetriebes der „klassische“ Unternehmer.

FM: Dennoch ist das Handwerk in Deutschland sehr traditionell organisiert und geregelt. Stichwort „Meisterpflicht“.

AG: Eine Abschaffung der Meisterpflicht durch EU-Vorgabe ist gescheitert, vor allem, weil schlichtweg die Qualität darunter leidet. Bei einem Meisterbetrieb weiß ich als Auftraggeber, dass bestimmte Qualifikationen und Voraussetzungen gegeben sind. Natürlich schützen Zeugnisse nicht vor Fehlern, aber sie machen sie zumindest sehr unwahrscheinlich. Außerdem sendet eine Herabsetzung der nötigen Qualifikationen ein falsches Signal, wir wollen schließlich das Gute immer besser machen und nicht schlechter. Viele Betriebe ohne Meister sind außerdem schnell wieder in die Insolvenz gegangen.

FM: Jetzt bist Du also nicht nur Unternehmer und Kreishandwerksmeister, sondern auch Blogger.

AG: Zum Glück ja nicht alleine (lacht). Aber wir müssen alle Wege der Kommunikation nutzen, um uns noch stärker öffentlich zu zeigen. Am 6. Mai wird es nach zwei Jahren Pause wieder ein „Handwerk live“ geben und wir bieten hunderten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, gemeinsam mit ihren Lehrkräften im Berufsbildungszentrum verschiedene Berufe kennenzulernen. Gemeinsam mit den Berufsorientierungslehrern sowie unseren Ausbildungslotsen und den Lehrkräften des Berufsbildungszentrums bieten wir den entsprechenden Schuljahrgängen einen informativen und durchaus auch unterhaltsamen Tag der Begegnung an, bei dem man vielleicht sogar seinen künftigen Traumberuf entdecken und sich sogar hier und da selbst ausprobieren kann.

FM: Und man braucht dazu sogar nicht mal einen Extra-Termin vereinbaren.

AG: Genau, deshalb laden wir derzeit wieder alle entsprechenden Schuljahrgänge zu dieser Veranstaltung ein. Und ich will mal eines klarstellen: Fast jeder Mensch hat irgendeine Begabung, ein Talent, dass vielleicht nur entdeckt und gefördert werden müsste. Auch eine handwerkliche Begabung ist ein Talent, das nicht ungenutzt brachliegen sollte.

FM: Ich kann ganz gut schreiben, reden und musizieren. Das ist auch irgendwie Handwerk.

AG: Siehst Du, geht doch.

FM: Also „Machen statt reden“.

AG: Handwerk eben.

FM: Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.

Andreas Groß ist Geschäftsführer eines Fiat-Autohauses mit Werkstattbetrieb in Wetzlar, Kfz-Sachverständiger und Kreishandwerksmeister

Frank Mignon ist Moderator, Kolumnist und Musiker