Der Macher-Blog mit Andreas Groß und Frank Mignon

Einmal im Monat – Garantiert unausgewogen – Aber immer freundlich

Heute: „Gemeinwohlfühlen für Einsteiger“

FM: Guten Morgen Andreas, heute bitte nur ein Wasser.

AG: Guten Morgen Frank, mit Gas oder ohne?

FM: In diesen Zeiten ist dies eine sehr mehrdeutige Frage.

AG: Waren die Zeiten nicht schon immer irgendwie besonders?

FM: Du klingst heute ein wenig philosophisch. Ich hätte da noch im Angebot: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“.

AG: Jetzt bin ich sprachlos. Von welchem großen Denker stammt das?

FM: War das von Luther, von Goethe oder vom größten Philosophen des Landes?

AG: Du meinst den Schopenhauer?

FM: Nein, ich meinte den Ralf Jeschke, unseren Ehren-Kreishandwerksmeister.

AG: Könnte sein, denn da ist was dran. Derzeit herrscht ja wieder mal Endzeitstimmung und es dürfte herausfordernd werden, junge Leute dafür zu begeistern, einen Handwerksberuf zu erlernen und vielleicht später mal einen Betrieb zu übernehmen oder gar einen neuen zu eröffnen.

FM: Ist Unternehmertum nicht immer eine Wette auf die Zukunft?

AG: Der Begriff „Wette“ gefällt mir nicht, eher ist es eine Art Vertrauensvorschuss in das eigene Können, in die Fähigkeiten gut ausgewählter Mitarbeiter und ein Umfeld, in dem man gut arbeiten und davon gut leben kann.

FM: Stichwort Umfeld: Wie Du weißt, mache ich ja auch zahlreiche Podcasts und einer der Geschäftsführer der Lahn-Dill-Kliniken hat beim Jahreswechselgespräch als Wunsch für die Zukunft gesagt: „Weniger Bürokratie“. Man dokumentiert sich quasi auch dort zu Tode und blockiert damit dringend benötigte Ressourcen.

AG: Wenn es nur das wäre. Es gibt Betriebe, die haben bis heute noch nicht alle Coronahilfen erhalten, weil es immer wieder Rückfragen, Formulare und Hürden gibt. Aber es erwartet uns auch ein ganz anderes Problem: Das Jahr geht zu Ende.

FM: Kommt irgendwie jedes Jahr überraschend.

AG: Da sagst Du was. Die Automobilleute kämpfen ja bekanntlich mit Lieferengpässen und zum Jahreswechsel fallen die staatlichen Zuschüsse für E-Autos weg, wenn die Fahrzeuge nicht rechtzeitig zugelassen werden. Diese Zuschüsse sind aber immer eingerechnet, nicht jeder kann ohne weiteres selbst diesen Anteil auch noch tragen, nur weil die Zulassungsstellen um die Feiertage herum geschlossen haben oder Anträge nicht bearbeitet werden können.

FM: Man muss den dortigen Mitarbeitenden auch mal eine Pause gönnen.

AG: Eine flexiblere Lösung zum Jahresende hin wäre aber doch ein guter Beitrag für die Allgemeinheit, vor allem für die, die sich in Sachen Klima vorbildlich verhalten und auf moderne Technologien setzen.

FM: Das habt ihr doch sicher versucht, anzuregen, oder?

AG: Oh ja, aber uns wurde klargemacht, dass man da nicht vom eingeschlagenen Weg abkommen möchte und keine Sonderschichten einlegen werde.

FM: Apropos „Weg einschlagen“. Ihr wart neulich an einem Oberstufengymnasium in Wetzlar. Wie war die Begegnung mit den Abiturienten?

AG: Man muss auch den potentiellen Akademikern klarmachen, dass auch die Handwerksberufe gut zu den Abiturienten passen können. Außerdem ist doch eine Handwerkslaufbahn längst in vielen Bereichen dem akademischen Abschluss gleichwertig.

FM: Deshalb sagt ihre ja auch immer: „Studier‘ doch Handwerk“.

AG: Genau. Übrigens ist auch interessant, dass die meisten der jungen Leute bei „Handwerk“ zuerst an „Schreiner“ denken. Ist auch verständlich, denn da verbindet sich ja gelegentlich das „handwerkliche“ mit dem „künstlerischen“. Grüße an Holm Pfeiffer, unseren hervorragenden Tischler-Obermeister, aber es gibt weitaus mehr. Vor allem ist es allgemein die Möglichkeit, einmal einen eigenen Betrieb zu führen, die man den jungen Leuten wieder als erstrebenswert vorstellen muss.

FM: Da sind wir wieder bei der Zukunft und dem Gemeinwohl. Wer sich wirklich für das Gemeinwohl einsetzen möchte, könnte sich mal das Handwerk näher ansehen, oder?

AG: Genau. Wir arbeiten nachhaltiger und Ressourcen-schonender als viele andere Bereiche der Wirtschaft, wir stellen selbst in kleinen Betrieben Ausbildungsplätze bereit und bieten fast immer eine Übernahme in die Festanstellung an, wir haben trotz der derzeitigen Krisen immer noch eine gute Auftragslage … und wer sich für Klimaschutz wirklich interessiert, könnte durch eine Ausbildung beispielsweise als Sanitär-/Heizungs-/Klimatechnikerin oder im Dachdeckergewerbe schon morgen damit beginnen, aktiv etwas dafür zu tun.

FM: Man muss das immer wieder mal in die Welt hinaus rufen.

AG: Deshalb sind wir ja auch so froh über unsere Azubis-Guides. Es ist eben doch etwas anderes, wenn junge Leute selbst über ihre Berufe sprechen und man es nicht nur aus zweiter Hand von deren Ausbildern hört, wie toll der Job ist.

FM: Und man erfährt direkt, wie junge Menschen heute denken.

AG: Was dann noch lange nicht heißt, dass man ihnen nach dem Mund reden muss. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir im Handwerk ein attraktives Angebot für eine gute berufliche Zukunft haben.

FM: Zukunft … Gemeinwohl … heute drehen wir beide aber ein ganz schön großes Rad.

AG: Aber so ist es doch nun mal. Es gibt keinen allgemeinen Wohlstand ohne Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereit und mutig sind, in ihre Zukunft und damit auch in die Zukunft anderer zu investieren. Mich stört ein wenig die Verzagtheit in unserem Land. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als versteckten sich viel zu viele Leute hinter ihrem eigenen Pessimismus und nutzten diesen als Ausrede, nicht mehr kreativ und aktiv an der Gestaltung ihres Lebens und ihrer Umgebung teilhaben zu müssen.

FM: Wie war das mit dem Apfelbäumchen?

AG: Das mit dem Pflanzen des Bäumchens ist schon mal ein guter Anfang.

FM: Und was man aus dem Bäumchen alles machen könnte. Man könnte sich neue Wege der schonenden Verarbeitung von Äpfeln zu Saft überlegen, aus den jährlich abzuschneidenden Zweigen etwas Nützliches herstellen … oder eine neue Sorte Apfelkuchen erfinden.

AG:  Ich sehe, Du hast das mit dem nachhaltigen Unternehmertum und dem Handwerk ganz gut verstanden.

FM: Wir kennen uns ja auch lange genug.

AG: Handwerk eben.

Andreas Groß ist Geschäftsführer eines Fiat-Autohauses mit Werkstattbetrieb in Wetzlar, Kfz-Sachverständiger und Kreishandwerksmeister

Frank Mignon ist Moderator, Kolumnist und Musiker